• Quelle: © Historisches Museum Frankfurt am Main
Das Brückenkreuz mit Christusfigur und Gickel auf der Spitze war nicht allein zur Zierde der Brücke gedacht – sowohl Kruzifix als auch Brückenhahn hatten im Mittelalter durchaus ihre Bedeutung.

Dem Eintrag in einem alten Rechnungsbuch zufolge, thronte das erste metallene Kruzifix im Jahr 1401 auf der Ostseite der Alten Brücke – zwei Gulden bekam der Schmied Mersefeld für dessen Herstellung und Bemalung damals. Zuvor stand an gleicher Stelle wahrscheinlich ein hölzernes Kreuz. Seit wann der Gickel auf der Kruzifixspitze saß, lässt sich nicht genau sagen, jedoch ist er auf der frühesten Abbildung der Brücke im Bedebuch von 1405 deutlich zu erkennen. Einen praktischen Nutzen hatte das Kruzifix, das auf dem sogenannten Kreuzbogen stand, für die Flößer, die ihre Holzstämme den Main hinuntertriften ließen. Das Kreuz markierte die tiefste Stelle im Fluss, an der das Wasser die stärkste Strömung hatte. So sahen die Flößer, wenn sie den Mainbogen hinunterkamen, anhand des Brückenkreuzes schon früh, in welche Richtung sie ihren Holzverband lenken mussten, um diese schwierige Stelle im Flusslauf zu meistern.

Ein letzter Blick

Aufgestellt wurde das Brückenkreuz auf der Alten Brücke, weil dort die Meineidigen und Verbrecher, die zum Tod durch Ertränken verurteilt waren, in ein Fass geschlagen und vom Kreuzbogen herab in den Fluss gestürzt wurden. Und da im Mittelalter der Aberglaube weit verbreitet war, dass Tote als sogenannte Wiedergänger zurückkehren und ihr Unwesen unter den Lebenden treiben können, so sie denn nicht versöhnt von der Welt gingen, fand sich an Hinrichtungsorten zumeist auch ein Kreuz. Der oben auf dem Kruzifix sitzende Gickel ist in diesem Zusammenhang als Verweis auf Petrus‘ Verleugnung Jesu zu verstehen. Da dieser Gickel das Letzte war, was die Verurteilten bei ihrem Sturz in den Main sahen, sollte er sie zur Reue mahnen, sodass sie ihre Ruhe finden – und daher nicht als Wiedergänger zurückkommen. Der Tod durch Ertränken war zu dieser Zeit zwar die am meisten praktizierte Form der Hinrichtung – zwischen 1366 und 1500 wird von 91 Fällen berichtet –, doch nur den wenigsten der Verurteilten mag tatsächlich das Wasser zum Verhängnis geworden sein. Da der Main damals auch an dieser vermeintlich tiefsten Stelle nur recht niedrig war, wird die meisten eher der Aufprall das Leben gekostet haben.